Gerade noch hochkonzentriert bei der Arbeit, im nächsten Moment schweift der Blick ab und geht ins Leere. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft werden Tagträume häufig als Faulenzerei und Nichtstun abgetan, als verschenkte Zeit, die man viel effizienter nutzen könnte. Doch was genau sind Tagträume? Wie entstehen sie und haben sie womöglich einen tieferen Sinn?
Was sind Tagträume?
Jeder von uns hat in seinem Leben während des Schlafens schon einmal geträumt. Man taucht in Fantasiewelten ab, rekapituliert Geschehnisse des Tages oder erlebt völlig Neues. Träume können unterschiedlichste Szenen und Szenerien beinhalten. Häufig sind sie angenehm, manchmal auch negativ behaftet. Diese Schlafträume sind in der Regel willkürlich und können nicht beeinflusst oder gesteuert werden. Eine Ausnahme bildet hier das sogenannte Luzide Träumen. Wenn man während des Schlafens träumt, passiert dies in erster Linie in der Traumphase, die auch REM-Schlaf genannt wird und durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist.
Tagträume finden dagegen im Wachzustand statt, während des Tages oder auch am Abend kurz vor dem Einschlafen. Sie können ganz plötzlich auftauchen oder auch willentlich hervorgerufen und gesteuert werden. Dadurch weisen Tagträume deutliche Unterschiede in Hinblick auf die Situationen und Gegebenheiten ihres Auftretens auf, verglichen mit den Träumen während des Schlafens. Auch Tagträume können sehr fantasievoll und bildhaft sein und uns in bisher unbekannte Ecken unserer Vorstellungskraft führen.
Tagträume sind Kreativmomente
Dabei unterscheiden sich Tagträume oftmals inhaltlich von den Träumen während des Schlafens. Sie behandeln meistens realistische Themen wie den Alltag, Vergangenheit oder die nähere Zukunft des Tagträumenden und geben diesem so eine Möglichkeit, bestimmte Belange und Vorkommnisse zu reflektieren und neu zu überdenken. Häufig entstehen bei Tagträumen auch spontane Ideen und Lösungsansätze, weshalb sie gerne auch als Quell von Kreativität angesehen werden.
Wie entstehen Tagträume?
Man sitzt bequem im Sessel oder auf der Terrasse im Liegestuhl, im Idealfall mit einem billerbeck Nackenhörnchen mit dem man hervorragend zur Ruhe kommt, und die Gedanken schweifen allmählich ab. Der Blick geht ins Leere. In Momenten, in denen wir nicht auf eine bestimmte Aufgabe oder Arbeit fokussiert und konzentriert sind, treten Tagträume besonders häufig auf. Ein Tagtraum kann als eine Art gedanklicher Rückzug ins Innere bezeichnet werden, eine kurzzeitige Abkehr von der Welt um uns herum mit all ihren weitreichenden Einflüssen. Man wirkt gedankenverloren und verfällt in einen entspannten, fast schon tranceartigen Zustand. Doch auch wenn der Tagträumende in diesen Augenblicken einen eher abwesenden und passiven Eindruck vermittelt, ist das Gehirn in dieser Phase höchst aktiv.
Weniger Fokus, mehr Tagträume
Forscher aus den USA und Schottland konnten bei Studien herausfinden, dass Tagträume häufiger dann auftreten, wenn die Testpersonen mit wenig abwechslungsreichen und eintönigen Dingen beschäftigt waren, die geistig keine besondere Herausforderung für sie darstellten, oder wenn sie überhaupt keine Aufgaben zu erledigen hatten. Je weniger Konzentration gefordert war, desto schneller begannen die Gedanken abzudriften und die Testpersonen tauchten in die Welt der Tagträume ab.
Dabei konnten die Forscher feststellen, dass bei den Teilnehmern an den Versuchen in der Phase der Tagträume ganz andere Zonen im Gehirn aktiviert waren als bei Tätigkeiten, bei denen sie fokussiert arbeiten mussten. Im tagträumenden Gehirn ist ein Netz an verschiedenen Zonen aktiv, das von den Forschern als Default Mode Network – oder auf Deutsch: Ruhezustandsnetzwerk – bezeichnet wird.
Warum haben wir Tagträume?
Tagträume sind nichts anderes als bildhaftes, nicht zielgerichtetes Denken in völliger Ruhe und Entspannung, bei dem bestimmte Gehirnareale höchst aktiv sind. Welche Bereiche des Gehirns mit dem Tagträumen korrelieren konnten Forscher zwar herausfinden, den Grund und die Ursache für Tagträume jedoch nicht. Es gibt verschiedene Theorien, die jedoch wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen werden konnten.
Tagtraum – Sinn und Nutzen ungewiss
Es ist möglich, dass Tagträume für das Gehirn kurze Phasen der Erholung darstellen, aus denen es aber im Bedarfsfall sofort aktiviert werden kann. Genauso gut kann es aber auch sein, dass es keinen wirklichen Grund oder Nutzen von Tagträumen gibt, sondern dass wir uns einfach nur deshalb in unseren Gedanken verlieren können, weil unser Gehirn die Fähigkeit dazu besitzt.
Maladaptiven Tagträumen – kann man zu viel tagträumen?
Tagträume sind an und für sich völlig normal. Jeder von uns hat diese Momente, in denen die Gedanken abschweifen, häufig sogar mehrmals täglich. Aber wie von allem gibt es auch hier ein Zuviel. Denn wer sich mehr und mehr in Tagträumen verliert und möglicherweise sogar Schwierigkeiten hat, zwischen Realität und Fantasiewelt zu unterscheiden, der leidet möglicherweise am sogenannten maladaptiven Tagträumen.
Darunter versteht man eben jene Extremform des Tagträumens, die fast schon einer Sucht gleicht. Betroffene flüchten sich immer mehr, immer intensiver und länger in die außerordentlich fantasievolle Welt ihrer Imagination, vernachlässigen u. U. dabei Beruf, Alltag und Sozialleben und kapseln sich zunehmend ab. Im Falle des Verdachts von maladaptivem Tagträumen, das nur selten vorkommt und oftmals nach Traumata auftritt, sollte ärztliche Hilfe zurate gezogen werden.